Hyper-Unabhängigkeit: Wenn Einsamkeit die Kontrolle übernimmt
Hinter scheinbarer Unabhängigkeit kann sich Einsamkeit verbergen. Denn wer auf dem Weg zur vollkommenen Eigenständigkeit nicht aufpasst, riskiert Isolation.
Unabhängigkeit wird oft als Zeichen von Stärke und Erfolg gewertet, insbesondere in westlich geprägten Kulturen.
Was aber passiert, wenn diese Unabhängigkeit zu weit getrieben wird? Wenn das Bedürfnis nach Autonomie so stark ist, dass jede Form von Hilfe oder Unterstützung nicht mehr angenommen werden kann?
Gesunde Unabhängigkeit kann andere aushalten
Dieses Phänomen ist unter dem Begriff «Hyper-Unabhängigkeit» bekannt. Es kann sich negativ auf Beziehungen, Karriere und auf unsere psychische Gesundheit auswirken.
Terri Bacow, eine renommierte Psychologin der kognitiven Verhaltenspsychologie und bekannte Autorin, beschreibt diesen Zustand als übermässige Autonomie und Selbstständigkeit, die mit negativen Konsequenzen einhergeht.
Gesunde Unabhängigkeit zeichnet sich hingegen durch ein Gleichgewicht aus Eigenständigkeit und dem Wissen um die Notwendigkeit von Unterstützung durch andere aus.
Angst, Burnout und Fehlerhaftigkeit
Personen mit ausgeprägtem Unabhängigkeitbedürfnis haben meist Angst oder fühlen sich extrem unwohl dabei, andere um Unterstützung zu bitten – selbst dann, wenn das Unterlassen desselben zu ihrem eigenen Nachteil ist.
Sie leiden unter emotionaler Erschöpfung und haben ein höheres Risiko einer Burnout-Erkrankung. Oft isolieren sie sich selbst und empfinden tiefe Einsamkeit.
Aber nicht nur im Privat-, sondern auch im Berufsleben können negative Auswirkungen auftreten. Denn hyper-unabhängige Personen haben ein höheres Risiko, Fehler zu machen, weil sie Hilfe ablehnen, oder gar Aufgaben zu übernehmen, die ihre Kapazität oder ihre Fähigkeiten übersteigen.
Überlebenstaktik oder Falle?
Ähnlich sieht es Simone Saunders. Die Trauma-Therapeutin erklärt, dass Hyper-Unabhängigkeit kein Persönlichkeitsmerkmal ist.
Vielmehr handelt es sich hier um ein Überlebensmerkmal, das durch frühkindliche Erfahrungen, traumatische Erlebnisse in der Kindheit oder im Erwachsenenalter entwickelt wurde.
Und auch unser kultureller Hintergrund kann zu diesem Problem beitragen. Denn wenn Unabhängigkeit als höchster Wert vermittelt wird, kann dies die Neigung zur Hyper-Unabhängigkeit fördern.
Mechanismus im Hintergrund: Kontrolle
Bei hyper-unabhängigen Personen besteht oft ein Bedürfnis nach Kontrolle und Perfektionismus. Bei ihnen überwiegt das Gefühl, nur dann die volle Kontrolle über die korrekten Ergebnisse zu haben, wenn Sie niemanden miteinbeziehen.
Darüber hinaus kann das Phänomen Ursache von psychischen Problemen wie Angstzuständen oder Depressionen sein.
Dagegen hilft nur eins: sich wieder anderen Menschen zuwenden. Schon kleine Schritte tun wahre Wunder, und Sie werden sehen, sind Sie selbst betroffen, wie viel glücklicher Sie werden – und nicht abhängig, sondern zusammen mit anderen!