Von der Schnapsidee zur Hautcreme
Ein Frauen-Duo im Tiroler Galtür stellt Naturkosmetik aus Enzian her. Auch Saunameister experimentieren aktuell mit der Maische, die bei der Produktion anfällt.
Als Kind ist Alexandra Walter mit ihrem Vater in die Berge gezogen, um Enzianwurzeln zu sammeln. Der Papa hatte einen Pickel in der Hand und eine Kraxe auf dem Rücken. Die Tochter schnappte sich die Wurzeln und putzte grob die Erde weg. Zu Hause wurde dann Schnaps gebrannt.
Heute muss Alexandra nur vor ihr Haus in Galtür (Tirol) laufen, und schon steht sie mitten im riesigen Enzian-Feld. Alexandra interessiert sich für Blätter und Blüten. Im Gegensatz zu ihrem Mann. Der ist scharf auf die Wurzeln, um daraus einen edlen Brand zu machen.
Zusammen mit ihrer Freundin Heidrun Walter macht sie daraus nämlich Natur-Kosmetik. Seife, Lotion, Handcreme – Enzian ist nicht für fein für den Magen, sondern auch für die Haut.
Um die Sache einordnen zu können, muss an dieser Stelle ein weiterer Rückblick erlaubt sein. Alexandras Mann ist Edelbrand-Sommelier, legte 2017 das Feld an, weil Enzian in freier Natur geschützt ist. Die Galtürer haben sich schon vor mehr als einem halben Jahrhundert das Recht für eine Ausnahmegenehmigung erstritten.
Alljährlich dürfen 13 ausgeloste Haushalte ausschwärmen und je 100 Kilo Wurzeln ausgraben. Daraus kann man gerade einmal sieben Liter Schnaps machen. Heute produziert Alexandras bessere Hälfte immerhin 20 Liter pro Jahr.
Alexandra und Heidrun fanden aber, dass es Verschwendung ist, wenn man nur die Wurzel verarbeitet. Also machten sie sich Gedanken, wie sich der Rest der Pflanze verwerten lässt.
Brot überzeugte nicht
Die erste Idee, Brot mit Enzian-Samen zu backen, kam nicht so gut an. «Das Geschmacks-Erlebnis war mittel.» Vor allem die vielen Bitterstoffe verdarben den Appetit. Also entschied das Duo, sich in Richtung Kosmetik vorzutasten.
«Wir hatten keine Kontakte in die Branche und haben bei null angefangen», erklärt Heidrun. Eine befreundete medizinisch-technische-Assistentin half schliesslich dabei, eine Duschseife anzufertigen. Sie setzte Öle, Tinkturen und Hydrolate an. Testpersonen waren Freunde, Nachbarn, Bekannte.
Die Rückmeldungen seien durchweg positiv gewesen, alle hätten geschwärmt, wie weich die Haut nach dem Waschen ist. «Aber niemand hat gerochen wie frisch geduscht. Wir mussten einen Weg finden, um den erdigen Geruch des Enzians zurückzudrängen», erzählt Alexandra.
Nah an der Natur
Am Ende ist es eine Duftmischung aus verschiedenen Kräutern geworden, die den Produkten eine angenehme Note verleiht. Das Credo bei dem ganzen Prozess hiess stets «so nah an der Natur wie möglich». Ganz ohne Zusätze, um die Seifen und Cremes haltbar zu machen, funktioniert es zwar nicht. Aber die Zutatenliste ist kurz.
Auf dem Feld kommen weder Spritzmittel noch Dünger zum Einsatz, die beiden Frauen jäten und ernten von Hand. Es dauert fünf bis sechs Jahre, ehe eine Pflanze reif ist. «Das Unkraut wächst natürlich schneller, deswegen geht uns die Arbeit nie aus.»
Ende Juni beginnt die heisse Phase. Alexandra und Heidrun bücken sich dann mit speziellen Schneide-Messern über den Enzian, der bis zu eineinhalb Meter hoch stehen kann. Die Wurzel tasten sie nicht an, sie wird in einem anderen Jahr geerntet.
Blüten und Blätter bleiben am Stängel und landen in Wäschekörben, die die Helfer zum Sammelbehälter tragen. Dort steht jemand mit Kofferwaage und addiert alles zusammen. Bei 500 Kilo ist Schluss, mehr würde die Kapazitäten der beiden Galtürerinnen sprengen, die die Kosmetikherstellung nur nebenberuflich betreiben.
Bald ein Saunaaufguss?
Früher haben die Frauen den Enzian in ihren Kellern ausgebreitet, um ihn zu trocknen. Heute übernimmt eine Firma am Chiemsee diese Arbeit. Sie stellt einen zertifizierten Extrakt aus den Blüten und Blättern her, der dann in die Cremes und Seifen kommt.
Der Vertrieb der Produkte erfolgt über die eigene Webseite und mehr als zwei Dutzend Hotels und Gästehäuser im Paznauntal. Darunter ist auch die Silvretta-Therme in Ischgl. Die dortigen Saunameister experimentieren aktuell mit der Maische, die bei der Enzian-Produktion von Alexandra und Heidrun anfällt. Sie wollen daraus einen weiteren ungewöhnlichen Aufguss machen.
In Innsbruck und im Zillertal kann man den Enzian für die Haut mittlerweile ebenfalls kaufen. Nur wer scharf auf den Schnaps ist, muss sich gedulden. Alexandra: «Es gibt eine lange Warteliste, weil jeder eine Flasche haben will.»